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Vincent Munier
Tierfotograf

Mit der Bescheidenheit seiner Herkunft im Herzen strahlen seine Augen jedoch den Glanz und die Frische derer aus, die nie zu staunen aufhören. Begegnung mit Vincent Munier, dem in den Vogesen geborenen legendären Tierfotografen. Ein leidenschaftlicher Naturliebhaber, beflügelt vom Zauber des Winters und verschneiten Landschaften.

Strahlende Herbstsonne überflutet an diesem Tag das Dorf in den Vogesen, in dem Vincent mit seiner Familie lebt. Hier legt der Fotograf zwischen zwei Missionen in fernen Gefilden eine kurze Pause ein und genießt die Stille des Ortes.

Vincent Munier - J. May

Er klärt die letzten Einzelheiten seines neuesten Werkes, das er gemeinsam mit seinem Kollegen Laurent Ballesta, Tierfotograf und Taucher, herausgibt: Adélie, Terre & Mer. „Wir haben zusammengearbeitet, aber jeder auf seiner Seite des Packeises – er unterhalb, ich oberhalb“, lacht Vincent. Ein neues weitentferntes Polarabenteuer, gleich denen, die ihn mit seinen berühmten und fantastischen Bildern, vor allem die der weißen Wölfe, einer breiten Öffentlichkeit bekannt machten.

Loup arctique - Ellesmere Island, Canada - V. Munier

Erstes Foto
Ein außergewöhnliches Schicksal für diesen Jungen aus den Vogesen. „Mein erstes Foto habe ich hier in der Gegend gemacht, im Wald von Charmes. Das war 1988 – ich war 12. Dieses Foto hat mein Schicksal verändert, meinem Leben eine andere Wende gegeben. Mein Vater hatte mich am Beobachtungsposten, unter meinem Tarnnetz, allein gelassen. Er selbst machte einige Kilometer entfernt seine eigenen Fotos. Ein unvorstellbarer Augenblick. Ich war fasziniert, hatte gleichzeitig jedoch auch ein wenig Angst. Es war November, das Laub raschelte. Und plötzlich standen drei Rehkühe vor mir. Ich zitterte, als ich auf den Auslöser drückte. Zum ersten Mal in meinem Leben hielt ich einen flüchtigen Moment fest. Ich erzählte es ganz aufgeregt meinem Vater. Die Zeit, die ich auf die entwickelten Klischees warten musste, die damals mit der Post kamen, erschien mir wie eine Ewigkeit. Als die Farbdias dann endlich drei Wochen später eintrafen, war das besagte Foto natürlich unscharf.

Biches (cerf élaphe) - Vosges - V. Munier

Aber meine Leidenschaft war geweckt. Unwiderruflich. Danach verbrachte ich meine ganze Freizeit mit Fotografieren. Glücklicherweise hatten meine Eltern nichts dagegen. Stunden war ich im Wald. Allein. Denn man muss allein sein. Eine Frage des Feelings. Im Wald, auf der Eisbank – dort ist man nur zu Gast. In der Natur erfüllt mich ein Gefühl von Bescheidenheit. Der Mensch ist die der Wildnis am weitesten entfernte Tierart. Dieser Beruf ist ein Vorwand, draußen in freier Natur zu sein, etwas Lebenswichtiges für mich. Dabei ermöglicht das Foto zu teilen, zu bezeugen“.

Moineaux friquets - Vosges - V. Munier

Nicht stören
In seinen Büchern erzählt Vincent von seinen Begegnungen mit Polarfüchsen, Küstenseeschwalben, Kranichen und Pinguinen in schlichten, edlen Bildern. Flüchtige Momente festgehalten mit einer außergewöhnlichen Sensibilität. Wie auf Zehenspitzen. Der naturbegeisterte Fotograf gesteht, mehr Zeit damit zu verbringen, durch sein Fernglas als durch den Sucher zu schauen.

Parades de grues du Japon (Tanchos) - Hokkaido, Japon - V. Munier

„Die Technik steht im Dienste der Magie. Wichtig ist, sie besonnen anzuwenden. Manchmal mache ich einfach kein Foto, um das, was sich um mich herum abspielt nicht zu stören und wirklich nur den Moment zu genießen. Ich suche weder Ästhetik noch Stil, sondern eine wirklich natürliche Annäherung an das Tier in seinem Lebensraum. Man ist nicht da, um die Federn eines Vogels zu zählen. Etwas unscharf, schemenhafte Schatten, verstohlen, weit entfernt: das Wahre und Angedeutete. Ich mag die Idee, nicht alles zu enthüllen, damit ein Bild jedem Einzelnen eine eigene Geschichte erzählt.“

Hermine - Vosges - V. Munier

Immenses Weiß
Fotos, meist in Weiß gehalten, verleihen Bildausschnitt und Licht einen geheimnisvollen Zauber: „Ich bin ganz verrückt nach Schnee, das kommt durch die Vogesen. Schnee fegt Überflüssiges weg und nur das Wesentliche bleibt. Die Farben und Lichter der nordischen Länder sind außergewöhnlich, aber für mich ist es wichtig, zu zeigen, dass wilde Tiere dort leben. So hoch, so weit, unter so extremen Bedingungen.“ Bedingungen, die er jedoch mit ihnen teilt, wenn er tage- und nächtelang – unter arktischen Bedingungen – an seinem Beobachtungsposten verharrt. Aber das spielt keine Rolle, denn sein Glück liegt auch in diesen Momenten der Einsamkeit, abgeschieden von der Welt, aber tief verbunden mit einer wilden Natur.

Ours brun - Kamtchatka, Russie - V. Munier

„Ich bin ein wahrer Glückspilz, ich lebe meine Kindheitsträume. Ich glaube, ich bin unter einem guten Stern geboren. Ob ich einen Gimpel in meinem Garten, einen Kranich in Japan oder einen Pinguin in der Antarktis fotografiere – es ist das gleiche Vergnügen für mich. Man muss Schönes zeigen und Schönes ist für jedermann zugänglich. Die Polarregionen sind verglichen mit meinen Vogesen und Wäldern nur das „große Draußen“. Gleich, nur wilder und auf einer anderen Ebene.“

Vincent Munier - J. May

Vincent Munier, weltweite Referenz im Bereich Tierfotografie, wurde drei Jahre in Folge mit dem berühmten BBC Wildlife Photographer of the Year ausgezeichnet. Er ist ebenfalls Botschafter der Marke Nikon. Entdecken Sie das Interview mit Vincent Munier in der neuesten Ausgabe des Magazins Reisen in Lothringen.